Ilija Dürhammer
Thomas Bernhard • Holz•Ein•Fall • Eine reale Fiktion
Kremayr & Scheriau: Wien 2004
Kennen wir unseren Bernhard wirklich? Wissen wir, warum sich der »Untergeher« und der General in »Jagdgesellschaft« in Wirklichkeit umbringen und warum beide in einer Jagdhütte und an welcher
Krankheit der General tatsächlich leidet? warum Atzbacher in »Alte Meister« und die Perserin in »Ja« ausgerechnet einen Schaf(s)pelzmantel tragen, weshalb Franz Josef Murau in »Auslöschung« seinem
Schüler »Amras« zu lesen gibt? welche Bedeutung der Holzwurm in »Korrektur« und der Borkenkäfer in der »Jagdgesellschaft« haben? woher die Jäger-Tausendschaften in »Auslöschung« kommen, die angeblich
selbst in Wien überall auftreten, und warum die meisten Bernhard-Protagonisten die Jäger und die Jägerei hassen, die Gärtner aber mögen?
Die eigentliche Poesie der Bernhard-Welt liegt tiefer als bisher wahrgenommen. Sie hat sich in einer ausgeklügelten Geheimsprache ihr unbeschmutztes Nest gebaut. Das Chiffren-Glossar hat Bernhard
zwar mitgeliefert, aber es wurde bisher nur kaum beachtet und noch weniger (von einer Ausnahme abgesehen) als Schlüssel für das Gesamtwerk betrachtet.
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Besprechungen:
Alfred Pfabigan im Gespräch mit Peter Zimmermann
Ex libris (Ö1) vom 18. IV. 2004
Zimmermann:
»Der vielleicht erste Thomas Bernhard-Roman«
Pfabigan:
»Ich würde vielleicht als erstes den Quasi-Roman-Status dieses Textes hervorheben. Also das ist eine Bernhardsche Situation: Jemand verfaßt eine Studie über jemand oder jemand erzählt einem jungen
Mann – das ist ja der Plot: Luitpold Kenner erzählt Ilija Dürhammer seine Geschichte mit Thomas Bernhard, und es gibt ein Testament, in dem beschlossen wird, er darf das benützen.
[…]
Dann gibt es einen zentralen Punkt, und das ist der Punkt, welche Rolle spielte die Homoerotik und zwar nicht nur in den Texten des Thomas Bernhard, sondern auch im Leben des Thomas Bernhard, und
Dürhammer schließt sich hier der Deutung an, daß es eine Geheimsprache gibt, die rund um Holzfällen, Pelzmantel kreist, die eben Homoerotisches beschreibt.
Das sind einfach drei Bücher. Es hat ein Literatur- und Musikwissenschafter sich mit Bernhard beschäftigt, hat ihn interpretiert, hat die Fragestellung Heimatdichter oder Nestbeschmutzer einmal
aufgeworfen, hat Analogien zwischen dem Tonhof und dem Kreis um Schubert festgestellt, und es hat ein Künstler, ein Schriftsteller einen bernhardesken Roman (das dritte Wort des Buches ist
naturgemäß) versucht zu schreiben, und es hat möglicherweise ein sarkastischer Zeitgenosse mit dieser Figur des Luitpold Kenner eine Parodie auf diese biedere Erinnerungsliteratur an Thomas Bernhard,
die ja seit einigen Jahren den Markt überflutet, geschaffen.
Und wir als Leser stehen relativ ratlos da und springen von einer Kategorie in die andere, und ich denke, wir haben zwei Möglichkeiten, entweder wir genießen das oder wir ärgern uns.«
Zimmermann:
»Aber eines muß man vielleicht doch festhalten, daß dieses Buch von Ilija Dürhammer sprachlich eigentlich sehr gewandt formuliert ist, auch wenn es so eine Art Anverwandlungsprosa ist, ich meine, es
ist ja auch immer die Bernhardsche Sprache, die hier durchscheint, die mitunter imitiert wird.
Ich hatte den Eindruck, daß es ein Text ist, der sich trotz allen Zwiespältigkeiten inhaltlicher Natur, sehr flüssig liest.«
Pfabigan:
»Und dort sind auch einige sprachliche Experimente drinnen, da sind Nachstellungen sozusagen von Wiener Gruppe-Gedichten, und da ist der etwas altmodische Sprachgestus des Luitpold Kenner.
Also sprachlich ist das sicher gut gearbeitet.«
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Reinhold Tauber
Der Heimatdichter und sein Chiffren-Geheimnis
vom 04.03.2004
»Ein intimes Erinnerungsbuch an Thomas Bernhard«
»Zum 15. Todestag Thomas Bernhards erschien ein Erinnerungsbuch an den Dichter. Besonderheit: Der Autor ist nicht der Autor, nur autorisiert.
Ilija Dürhammer steht in der Autorenzeile. Der Schubert- und Bernhard-Kenner und -Publizist, Lehrstuhlinhaber [sic !] in Wien, war für das Buch Lektor und Struktur-Berater. Autor des mit
philosophischen Überlegungen schwer befrachteten Texts war der inzwischen verstorbene Bad Ischler Luitpold Kenner, der testamentarisch Dürhammer zur Autoren-Nennung autorisierte.
[…]
In Erinnerung bleibt in der Literaturwelt der Skandal, den Bernhard 1984 mit "Holzfällen" auslöste. In dem Roman glaubte sich Lampersberg - von Bernhard ursprünglich als sein "einziger wirklicher
Freund" bezeichnet - verhöhnt und ließ das Buch in Österreich beschlagnahmen.
In Kenners Erinnerungsbuch wird auf die gemeinsame Zeit bei Lampersbergs eingegangen, und es wird auch ein Vorhang gelüftet, hinter dem sich das Geheimnis des Auseinanderdriftens von Bernhard und
Lampersberg verbarg - der beiden, die doch gemeinsame Text-Tondichtungen geschaffen hatten.
Das wäre im Prinzip für die Welt nicht von besonderem Interesse, höchstens für die biografisch arbeitende Wissenschaft. Auch nicht, ob es Thomas eher mit jenem als mit jener hatte. Aber für
Interessenten an der Psyche Bernhards und für vermutbare Impulse des Werks wird viel erhellendes Material ausgebreitet.
Aber etwas anderes spürten Kenner und Dürhammer bei der Werk-Analyse des "Heimatdichters" auf: Eine Chiffren-Struktur durchziehe die gesamte Prosa, die Bernhards Prosa-Werk wie ein symmetrisches
Gesamtgebäude erscheinen ließe. «
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Poetisch Verstreutes:
Raimund grillparzerisch zurechtgehobelt und Rustan in den reuigen Mund gelegt,
in: Raimund - Nestroy - Grillparzer. Witz und Lebensangst, hrsg. v. Ilija Dürham-mer u. Pia Janke. edition praesens: Wien 2001, 71- 77
[unter dem Pseudonym Jurij Beckmann:] Im strahlend weißen Kleid • gewiegten Schritts,
in: Travel Journal, hrsg. v. Bernhard Cella, Edition Ostblick: Wien 2002
[unter dem Pseudonym Jurij Beckmann:] aus Jurijs Tagebuchblättern,
in: Travel Journal, hrsg. v. Bernhard Cella, Edition Ostblick: Wien 2002
Sylvias sieben Liebeskræuterlieder,
in: Leib- und Seelengerichte • Kulinarisch. Literarisch. Fragmentarisch, edition novitas: Wien 2003, 44-50
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